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Anhaltende Rückenschmerzen - Mein Erfahrungsbericht

  • ursulawahl
  • 24. Feb. 2022
  • 6 Min. Lesezeit


Schleichender Beginn


Rückenschmerzen waren mir im Jahr 2016 nicht ganz unbekannt. Bei Überlastungen im Sport, während meiner Periode, aber vor allem während meiner Studienzeit hatte ich immer wieder mal Erfahrungen mit Rückenschmerzen. Diese waren jedoch meist nur von kurzer Dauer. Ich kann heute gar nicht mehr sagen, wann genau der anhaltende Schmerz seinen Anfang nahm.

Eine Überlastung beim Sport halte ich aber für wahrscheinlich. Denn ich war damals der Auffassung „viel hilft viel“ und reagierte auf Schmerzen mit vermehrtem Training. Ich hatte nicht so ein sensibles Gespür für meinen Körper, dafür, wie er in bestimmten Situationen reagierte oder was mir in welcher Episode guttat.

Zu diesem Zeitpunkt verfolgte ich noch die Annahme, ich sei „zu wenig/falsch trainiert“ und müsse mehr meinen Rumpf kräftigen und an meiner Stabilisation arbeiten. Ich bemühte mich, alle Maßnahmen, die ich auch meinen Patienten nahelegte, selbst anzuwenden. Doch der Schmerz blieb.


Gleichzeitig schlummerte folgender Glaubenssatz in mir: “In meinem Alter und als Physio kann es nicht sein, dass ich schon Schmerzen habe! Das ergibt gar keinen Sinn.“


Mit meinem heutigen Wissensstand kann ich sagen, dass eigentlich der Glaubenssatz selbst keinen Sinn ergibt. Schmerz hat nicht direkt mit der beruflichen Tätigkeit oder mit dem Alter zu tun. Es beeinflusst eher, wie wir darüber denken oder darauf reagieren. Doch Schmerz selbst ist eine SINNeswahrnehmung, die immer real ist und SINN ergibt, egal in welchem Alter. Auch wenn wir oft nicht bewusst erfassen können, welcher Sinn in diesem Moment dahinter steckt.


Unterm Strich war es mir einfach nur unangenehm und peinlich, dass ich mir selbst nicht helfen konnte. Durch meine Ausbildung war mir sehr wohl bewusst, dass die Wahrscheinlichkeit einer gefährlichen Diagnose sehr gering war. Und so fühlte ich mich bestätigt, dass es vorbeigehen würde und ich nur genug und „richtig“ trainieren müsste.



Hauptsache Bewegen - oder?

Also ging ich, trotz 5-jähriger Laufabstinenz, einfach eine Runde Joggen. Ich hatte keine Lust, fühlte mich träge, mein ganzer Körper schien sich zu weigern, geschweige denn, hatte ich Spaß daran. Aus Ego Gründen lief ich dann – sicher ist sicher – trotzdem länger als geplant und als auch zu diesem Zeitpunkt gut für mich war.


Die Rache kam schnell – genauer gesagt am nächsten Tag. Ich konnte mich kaum noch bewegen vor Schmerzen. Mein Rücken brannte. Ich konnte mich weder bücken, um meine Schuhe anzuziehen und zuzubinden, noch schaffte ich es beim Zähneputzen mich über das Waschbecken zu beugen.


Der nächste Weg führte mich zu einer Ärztin. Sie verordnete mir direkt ein Schmerzmedikament, welches ich mit „Na ja, wenn’s sein muss“ in Empfang nahm.


Obwohl ich in Bezug auf meine Patienten eine Schmerzmedikation – vor allem in akuten Situationen – nie hinterfragte, reagierte ich in meiner eigenen Situation skeptisch. Wahrscheinlich war es falscher Stolz. Heute weiß ich, wie wichtig und sinnvoll in vielerlei Hinsicht eine gezielte Medikamenteneinnahme bei akuten Schmerzen sein kann, um ehest möglich wieder eine adäquate Belastbarkeit zu erlangen.



Angst-Vermeidungs-Verhalten


Die Erinnerung an diesen Tag nach dem Laufen ist so klar, als wäre es gestern gewesen. Ich fühlte mich elend und sehr verletzlich. Demzufolge wurde ich vorsichtiger in meinen Bewegungen.

Bei meinem Arztbesuch traute ich mich nicht, dies zu erwähnen, ich schämte mich und war verunsichert. Ich bekam also Schmerzmedikamente, doch so richtig besser wurde es nicht. Das nochmals beim Arzt anzusprechen wollte ich aber auch nicht.


Ich erinnere mich, dass ich von einem Kollegen zum nächsten gelaufen bin und sie alle mit guter Absicht ganz viele wohlgemeinte fachliche Ratschläge angeboten haben. Leider dauerte es, bis ich erkennen musste, dass diese Herangehensweise nicht von Erfolg gekrönt war. Verunsichert versuchte ich gegenüber meinen Patienten den Schein der sportlichen, beweglichen und vor allem schmerzfreien Physio zu wahren. Die Situation wurde mir aber zunehmend unangenehmer.

Ich bewegte mich steif, versuchte mich permanent zu „stabilisieren“ und Spannung im Rumpf zu halten. Ich vermied alles, was mit Bücken oder einem runden Rücken zu tun hatte. Gleichzeitig fühlte ich mich schwach und als würde „meine Wirbelsäule brechen". Und obwohl ich wusste, wie robust und stark unser Körper und vor allem unsere Wirbelsäule ist, erinnerten mich einschießende Schmerzen auch in unbeschwerten Moment daran, dass hier doch irgendwas nicht stimmen konnte.



Selbst wirksam werden


Verunsichert wie ich war, suchte ich weiter nach Antworten und Lösungen. Ich habe über einen längeren Zeitraum viel Fachpersonal zurate gezogen und alle Maßnahmen ergriffen, die mir geboten wurden. Unzählige Behandlungen sowie Präparate in Anspruch genommen und unterschiedliche Meinungen eingeholt. Ohne vielversprechende Ergebnisse. Dazu kam, dass ich mich nicht verstanden fühlte.


Ich wusste genau, dass unspezifische Rückenschmerzen, also Schmerzen ohne eindeutige Ursache, zu 95–98 % der Fälle völlig harmlos sind. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, wie ein Schmerz so lange anhalten und dabei das Leben so stark beeinflussen konnte, ohne eine körperliche Erklärung dafür zu finden.


Ich spürte selbst schon lange, dass es so nicht weitergehen konnte. Allein konnte ich diesen Zustand nicht mehr bewältigen, ich brauchte Hilfe um den Knoten zu lösen. Bis ich so jemanden finden sollte, wurde ich selbst Schritt für Schritt aktiver.


Ich startete mit Yoga bei Babsi Voglauer von www.anjali.at. Die ersten Einheiten waren schwer für mich und ich erwischte mich immer wieder dabei “besser sein zu wollen”. Hier lernte ich, dass erste Mal etwas “sein zu lassen”, “nicht zu werten” und “nicht verändern zu wollen”. Ich lernte in mich hineinzuspüren und meinen Körper und vor allem seine Grenzen besser wahrzunehmen und zu tolerieren.


Motiviert von einer neuen positiven Einstellung durch das Yoga, startete ich langsam mit dem Schwimmen. Ich war nie eine gute Schwimmerin, doch ich fühlte mich im Wasser wohl und mich packte der Ehrgeiz. Eine ordentliche Technik im Brustschwimmen zu erreichen, wurde bald mein Ziel. Inmitten von professionellen Wassersportlern und Vereinen war die Motivation groß, mir eine ordentliche Atemtechnik anzueignen und mich nicht länger mit "Chlorwasser schlucken" aufzuhalten

Doch das Wichtigste: Ich hatte Spaß!


Schneller als gedacht zog ich dann regelmäßig meine Bahnen durch das olympische Becken. Im Wasser konnte ich mich endlich wieder auspowern und hatte gleichzeitig das Gefühl, dass es mir nicht nur körperlich, sondern auch für mein allgemeines Wohlbefinden guttat.



Patienten-Therapeuten-Beziehung


Das Bedürfnis nach Anteilnahme wurde immer stärker. Yoga tat mir so gut und das Schwimmen war eine Wohltat. Aber die Schmerzen waren nach wie vor da.


Über Umwege fand ich meinen Weg zu Michael Mick Hansmann von www.physiotherapie-hansmann.at. Er klärte mich sehr gezielt und ohne zu bewerten über Dinge auf, die ich eigentlich selbst längst wusste, aber erst zu diesem Zeitpunkt mit mir selbst verknüpfen und umsetzen konnte. Hier wurde ich nach meinem Empfinden das erste Mal richtig empathisch aufgenommen und mit positiven Denkweisen gestützt.


Ich konnte am eigenen Körper merken, wie wichtig ehrliches Verständnis, Wertschätzung und Respekt in der Therapie sind und wie sehr es die Zusammenarbeit und dessen Erfolg beeinflusst.


Ich fühlte mich sicher und legte endlich negative Denkweisen ab, die sich für meine Genesung als Hindernis herausstellten. Erst durch das Vertrauen und das stufenweise Heranführen an meine “problematische Bewegung” konnte ich meine Belastbarkeit stetig steigern und erlangte wieder Sicherheit in meinem eigenen Körper. Wir arbeiteten gezielt an dem, was ich eigentlich wieder können wollte: meinen Rücken rund machen, ohne nachzudenken zBsp beim Schuhe zubinden oder einen Stift vom Boden aufheben.


Nach ca 1,5 Jahren hatte ich wieder das Gefühl, meinen Körper belasten zu können und genoss das neue Selbstwertgefühl. Ich ging regelmäßig schwimmen, praktizierte beinahe täglich Yoga und absolvierte ein 8-wöchiges MBSR Training mit Meditations- und Achtsamkeitspraxis (bei Christine Minixhofer, Achtsamkeit und Selbst-Mitgefühl - www.dialogus.at). Auch Krafttraining war endlich wieder möglich.


Ich könnte nicht sagen, was mir "am meisten/am besten" geholfen hat, meine Schmerzen unter Kontrolle zu bringen. In meinen Augen war es der Prozess selbst und die vielen kleinen Puzzlesteine die mir ein besseres Verständnis und einen sensibleren Umgang mit meinem Körper erlaubten.


Schmerz gehört zu unser aller Leben.

Heute habe ich schmerzfreie, aber auch sehr schmerzhafte Episoden. Doch mein Verständnis dafür ist ein ganz anderes als noch vor 5 Jahren. Dadurch wurde mein Umgang mit meinem Körper achtsamer und wohlwollender. Ganz nach dem Motto: "Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen zu surfen."



Vom Privaten zum Beruflichen


Von meinen Erfahrungen geprägt, wollte ich auch unbedingt beruflich mehr über das Thema Schmerz erfahren und startete zeitgleich zur Physiotherapie den Schmerzkurs von Fokus Medizin.


Das Fortbildungskonzept von Fokus Medizin (https://fokus-medizin.at/) stellt die moderne Schmerzmedizin und -therapie in den Mittelpunkt. Der vertrauensvolle Umgang mit den Patienten wird besonders großgeschrieben. Die für mich seitdem immer noch einzigartige interdisziplinäre Ausbildung von Ärzten, Psychologen, Physiotherapeuten sowie Pflegepersonen war eine wunderschöne und inspirierende Erfahrung.


Seit dieser Fortbildung hat sich mein Blick auf Patienten, aber auch auf meine eigene Geschichte wesentlich verändert. Ich sehe mich heute als Wegbegleiterin und Partnerin in Gesundheitsfragen. Mein Ziel ist es Wissen über Schmerzphysiologie und Bewegung leicht verständlich mit so vielen interessierten Menschen wie möglich zu teilen. Jeder kann und sollte selbst Experte für seine Gesundheit werden. Das Wissen ist vorhanden und jeder sollte Zugriff darauf haben, um davon profitieren zu können.


Meine persönliche Schmerzgeschichte war lange etwas, dass mir sehr unangenehm war. Für mich ist diese Erfahrung mittlerweile eine Stärke geworden, für die ich sehr dankbar bin. Ich möchte dir mit meinem Wissen zur Seite stehen um dir auf deinem Weg weiterzuhelfen.

 
 
 

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